Es ist soweit, ELENA hat die Bühne betreten. Das Publikum jubelt. Alle sind zufrieden. Eine neue Supernova am Datenschutzfirmament. Meiner Meinung nach sollten sich alle Berufstätigen darüber informieren. Wer mehr über den elektronischen Einkommensnachweis wissen will, sollte den folgenden Artikel, der eine sehr gute Einführung darstellt, lesen und sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzen.
ELENA steht für den elektronischen Entgeltnachweis und beschreibt ein Gesetz, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als »wichtiger Meilenstein zum Abbau bestehender Bürokratie« bezeichnet wird. Was sich nach einer sinnvollen Innovation anhört, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Vorratsdatenspeicherung in einem neuen Bereich in bisher unerreichten Dimensionen. Außerdem soll durch ELENA die elektronische Signatur etabliert werden, da diese für die Anwendung des Verfahrens unerlässlich ist.
Mit dem Beginn des Jahres 2010 müssen Arbeitgeber in Deutschland monatlich die Einkommensnachweise der bei ihnen angestellten Beschäftigten, Beamten, Richter oder Soldaten zur Speicherung an eine zentrale Sammelstelle übermitteln. Dabei wird zusätzlich eine Vielzahl anderer personenbezogener Daten erhoben, die bei Bedarf verschiedenen Behörden zur Verfügung gestellt werden.
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ELENA – ein tiefer Einschnitt in die informationelle Selbstbestimmung
Do, 31/12/2009 – 09:31 – Daniel Flachshaar
Pressemitteilung – Veröffentlicht am 31.12.2009
Am 1. Januar des neuen Jahres tritt deutschlandweit das ELENA (elektronischer Entgeltnachweis) Verfahrensgesetz in Kraft. Es wurde initiiert, um durch digital bereitgestellte personenbezogene Daten die Beantragung von Sozialleistungen zu vereinfachen. Zukünftig sind daher alle Arbeitgeber verpflichtet, monatlich für jeden ihrer Beschäftigten einen ausführlichen Datensatz mit sensiblen persönlichen Informationen an eine zentrale Speicherstelle des Bundes zu übermitteln. Diese Regelung betrifft über 40 Millionen Menschen, unabhängig davon, ob sie jemals Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Die Speicherung geschieht damit auf Vorrat. Die Betroffenen haben zudem kein Widerspruchsrecht.
Die Piratenpartei Deutschland kritisiert diese unmäßige Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten. Dies ist für den beabsichtigten Zweck des Bürokratieabbaus nicht erforderlich und im geplanten Umfang auch keinesfalls gerechtfertigt. Der Aufbau einer zentralen Datenbank mit derartigen Informationen widerspricht dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
»ELENA stellt einen weiteren Arm des immer größer werdenden staatlichen Datenkraken dar und ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland kein Gewinn«, stellt Thorsten Wirth, Vorstandsmitglied der Piratenpartei, fest. »Wer befürchten muss, dass Informationen über eine längere Krankheit, die Teilnahme an einem Streik oder die Gründe für den Verlust eines Arbeitsplatzes einem zukünftigen Arbeitgeber in die Hände fallen könnten, wird sein Verhalten daran anpassen. Dies war schon bei der Einführung der Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten der Fall und wird sich im Zuge von ELENA noch verstärkt zeigen. Ein derartiger Eingriff in die Freiheitsrechte kann nicht toleriert werden und ist für die Bestimmung eines Anrechts auf Sozialleistungen auch völlig unnötig.«
Die Piratenpartei fordert eine umgehende Rücknahme des ELENA-Verfahrensgesetzes. Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus dürfen so weitreichende personenbezogene Daten ohne Zustimmung der Betroffenen weder erhoben noch gespeichert werden.
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Weitere Informationen
ELENA ist künftig nicht mehr nur bekannt als die Tochter von Zeus und Leda, deren Entführung den Trojanischen Krieg ausgelöst hat. Die Bundesregierung hat dem Namen ein neues Gesicht verliehen und im kommenden Jahr werden ca. 40 Millionen Bürger davon betroffen sein.
ELENA steht für den elektronischen Entgeltnachweis und beschreibt ein Gesetz, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als »wichtiger Meilenstein zum Abbau bestehender Bürokratie« bezeichnet wird. Was sich nach einer sinnvollen Innovation anhört, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Vorratsdatenspeicherung in einem neuen Bereich in bisher unerreichten Dimensionen. Außerdem soll durch ELENA die elektronische Signatur etabliert werden, da diese für die Anwendung des Verfahrens unerlässlich ist.
Mit dem Beginn des Jahres 2010 müssen Arbeitgeber in Deutschland monatlich die Einkommensnachweise der bei ihnen angestellten Beschäftigten, Beamten, Richter oder Soldaten zur Speicherung an eine zentrale Sammelstelle übermitteln. Dabei wird zusätzlich eine Vielzahl anderer personenbezogener Daten erhoben, die bei Bedarf verschiedenen Behörden zur Verfügung gestellt werden.
ELENAs Geburt
Ihren Anfang nahmen die Entwicklungen, die letztlich zum ELENA-Verfahrensgesetz geführt haben, bereits im Jahr 1997. Damals schaffte der Bundestag durch das Signaturgesetz die rechtlichen Grundlagen für elektronische Unterschriften. Diese sollten dazu dienen, den Handel im Internet anzukurbeln, da auf Basis einer elektronischen Signatur leichter rechtsgültige Verträge geschlossen werden können. Das System konnte sich aber nicht durchsetzen, da die nötige Authentifizierung für alle Beteiligten die Anschaffung von Lesegeräten erfordert hätte. Ein wirklicher Anreiz dafür fehlte bisher.
Im Jahr 2002 kam von der Hartz-Kommision und verschiedenen Arbeitgeberverbänden der Vorschlag zur Einführung einer sogenannten Job-Card. Bestimmte Arbeitnehmerdaten, wie die Beschäftigungszeiten und die Höhe des Entgelts sollten an einer zentralen Stelle gespeichert werden. Dadurch wäre es den zuständigen Agenturen nach Ermächtigung durch den Antragsteller möglich gewesen, bei Entscheidungen über Ansprüche von Arbeitslosengeld und anderen Leistungen auf die Bescheinigungen der Arbeitgeber zu verzichten. Die damalige Bundesregierung stimmte dem Vorschlag zu und beschloss die Einführung der Job-Card. Die technische Realisierbarkeit sollte im Rahmen eines Pilotprojektes geklärt werden, das noch im selben Jahr startete.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz meldete im folgenden Jahr datenschutzrechtliche Bedenken und forderte eine ausreichende Prüfung des Job-Card-Verfahrens. Ab Ende 2003 wurde die Job-Card daraufhin mit fiktiven Arbeitnehmerdaten durch mehrere Agenturen für Arbeit und große Unternehmen wie Volkswagen und Lufthansa getestet.
Im Mai 2004 wurde bekannt, dass die Bundesregierung den geplanten Einführungstermin der Job-Card um ein Jahr verschieben wollte. Als neuer Starttermin wurde der 1. Januar 2007 genannt, wobei anfangs nur Arbeitslose und Angestellte des öffentlichen Dienstes mit der Job-Card ausgestattet werden sollten. Der Termin wurde nicht eingehalten, aber die digitale Signatur war nicht mehr zu stoppen.
Im Juni 2008 kündigte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) an, dass sechs verschiedene Bescheinigungen künftig über ein digital signiertes System erfasst werden sollen. Der Begriff Job-Card fiel in diesem Zusammenhang nicht mehr. Zu den erfassten Bescheinigungen sollten das Bundeselterngeld, Arbeitsbescheinigungen nach Ende des Arbeitsverhältnisses, Bescheinigungen über Nebeneinkommen und geringfügige Beschäftigungen, Bescheinigungen nach dem Wohnraumförderungsgesetz und die Fehlbelegungsabgabe gehören. Später sollte das System auf 45 Bereiche, wie beispielsweise Kindergeld und Arbeitslosengeld II erweitert werden. Als Systemführer wurden die Technische Abteilung der Deutschen Rentenversicherung und die Informationstechnische Servicestelle der Gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG) benannt.
Auf Basis dieser Ankündigung entstand schließlich ELENA. Am 22. Januar 2009 stimmte der Deutsche Bundestag in seiner 200. Sitzung dem Entwurf des Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) zu. Im März trat das Gesetz in Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung soll demnach in Zukunft die Rolle der zentralen Speicherstelle (ZSS) übernehmen und die Registratur Fachverfahren (RFV) der ITSG wird für die Pseudonymisierung der Identitäten der Verfahrensteilnehmer vor der Speicherung der anfallenden Daten sorgen.
ELENA geht ihren Weg
Ab dem 1. Januar 2010 ist nun jeder Arbeitgeber durch das ELENA-Verfahren gesetzlich verpflichtet, die Entgeltdaten seiner Beschäftigten monatlich an die Zentrale Speicherstelle (ZSS) zu melden. Die übermittelten Datensätze enthalten aber nicht nur Namen, Anschrift, Einkommen und Rentenversicherungsnummer der Beschäftigten. Es wird stattdessen zukünftig noch eine Vielzahl anderer Informationen zentral gespeichert.
So erfasst zum Beispiel der Datenbaustein DBFZ des Verfahrens die Fehlzeiten der Arbeitnehmer. Neben Angaben wie Krankheit und Pflege- oder Elternzeit wird unter diesem Punkt auch unbezahltes Fehlen genau protokolliert. Interessanterweise werden dabei zwischen “Arbeitsbummelei” und der “Pflege eines kranken Kindes ohne Kranken- oder Verletztengeldbezug” oder der “kurzzeitigen Arbeitsverhinderung wegen Pflege” keine Unterschiede gemacht.
Auch die Teilnahme an rechtmäßigen und unrechtmäßigen Streiks oder eine Aussperrung fallen unter diesen Datenbaustein. Somit erhält der Arbeitgeber ohne weitere Kontrolle die Möglichkeit, durch seine Angabe im Rahmen des ELENA-Verfahrens über die Rechtmäßigkeit eines Streiks zu entscheiden.
ELENA enthält auch anlassbezogene Felder. Der Datenbaustein DBKE beschreibt Angaben zu Kündigungen oder Entlassungen. Dort werden unter anderem Abmahnungen und der Grund einer Kündigung erfasst. Auch wird festgehalten, ob der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhoben hat. Der Arbeitgeber hat außerdem die Möglichkeit, ein vertragswidriges Verhalten, dass der Anlass einer Entlassung war, in einem Freitext genau zu schildern. Auch hierbei ist eine ausreichende Prüfung der Angaben nicht gewährleistet.
Bisher wurden derartige Daten bei einem reibungslosen Wechsel der Arbeitsstelle überhaupt nicht erhoben. Die Arbeitgeber mussten nur Arbeitsbescheinigungen mit detaillierten Angaben ausstellen, wenn die Arbeitnehmer nach der Tätigkeit Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollten. Künftig ist nicht auszuschließen, dass es einem Arbeitnehmer zum Verhängnis wird, wenn er mit einem Arbeitgeber persönliche Probleme hatte und dieser ihn dafür durch die Angaben im Rahmen des ELENA-Verfahrens bestraft. Besonders erschreckend ist in diesem Zusammenhang natürlich, dass die Daten zentral gespeichert werden.
ELENAs Nutzen
Den eigentlichen Zweck wird das ELENA-Verfahren erst ab dem Jahr 2012 erfüllen. Ab dann sollen ausgewählte staatliche Stellen Zugang zu den relevanten Datensätzen erhalten und dadurch Leistungen regeln, für die Einkommens- und andere Beschäftigungsnachweise der Arbeitgeber notwendig sind. Zunächst werden auf diese Weise die Bescheinigungen für Arbeitslosengeld, Wohngeld und Elterngeld erstellt. Weitere Aufgaben der Arbeitsagenturen sowie kommunale und sogar zivilrechtliche Verfahren, wie zum Beispiel die Prozesskostenbeihilfe, sollen später eingegliedert werden.
Das ELENA-Verfahren sieht vor, dass die zuständigen Behördenmitarbeiter nur die für die entsprechende Leistung benötigten Daten abrufen können. Auch bisher war es beispielsweise für die verantwortlichen Ämter möglich, eine Auskunft über die Kündigungsgründe eines Arbeitnehmers zu erhalten. Doch zukünftig sind derartige Informationen zentral gespeichert und jederzeit abrufbar. Auch wer keine Anträge auf staatliche Unterstützung stellt, wird durch das neue System erfasst. In Verbindung mit vielen weiteren Daten, die derzeit gespeichert werden, könnten nach wenigen Gesetzesanpassungen ohne großen Aufwand Personenprofile erstellt werden.
Noch ist nicht absehbar, wer in Zukunft den Zugriff auf die Datenbestände erhalten wird und welche Relevanz sie daher haben können. Die bisherigen Regelungen sehen nicht vor, dass Arbeitgeber oder Finanzbehörden Einblick in die gespeicherten Daten erhalten oder dass deren Beschlagnahmung durch eine Staatsanwaltschaft möglich ist. Hier sehen Befürworter des Verfahrens auch einen großen Vorteil, der immer wieder betont wird. Ein Arbeitgeber erfährt in Zukunft nicht mehr, wenn einer seiner Angestellten Sozialleistungen beantragt.
Jedoch ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Stellen Einsicht in die gesammelten Daten verlangen. So ist auch vorstellbar, dass zum Beispiel Kreditinstitute vor der Vergabe von Krediten den Einblick in die gespeicherten Daten verlangen. Der Kreditnehmer könnte durch eine Vertragsklausel, ähnlich wie bei der jetzigen Schufa-Auskunft, zur Zustimmung genötigt werden.
Gar nicht zu abzuschätzen sind die Auswirkungen, wenn Auszüge aus der Datenbank verloren gehen oder gestohlen werden. Auf dem Schwarzmarkt wären sie sicher ein Vermögen wert.
Der Schutz von ELENA
Die Entwickler von ELENA hoffen, alle Datenschutzbedenken zu entkräften, da die Zugriffsrechte auf die Daten gestreut werden. In der Beschreibung des Verfahrens findet sich dazu folgende Erläuterung: »Die Daten in der Zentralen Speicherstelle werden nach der Übermittlung durch den Arbeitgeber sofort geprüft, zweifach verschlüsselt und danach gespeichert. Eine Entschlüsselung ist nur im Rahmen eines konkreten, durch den Teilnehmer (Bürger) legitimierten Abrufs möglich. Ein direkter Zugriff auf die Datenbank ist weder für interne Mitarbeiter noch für Außenstehende möglich, da die Speicherung der Daten und deren Verschlüsselung in unterschiedlichen Verantwortlichkeiten liegt.«
Die Bereitstellung der durch ELENA gespeicherten Daten ist sehr komplex und wird durch das folgende Schema verdeutlicht:
Der Arbeitnehmer beantragt bei einem von der Bundesnetzagentur anerkannten Zertifizierungsdiensteanbieter (Trust Center) eine Signaturkarte mit einer qualifizierten elektronischen Signatur. Der Anbieter überprüft die Identität des Antragstellers und meldet ihn bei der Registratur Fachverfahren (RFV) an. Der Arbeitnehmer erhält daraufhin die Karte und eine Zertifizierungsidentifizierungsnummer (ZID) bei der RFV.
Auf der Signaturkarte selbst werden außer dem Namen des Arbeitnehmers und einer Kartenidentifizierungsnummer keine weiteren Daten abgespeichert. Sie enthält drei Schlüsselpaare. Diese dienen für die eigentliche Signatur, für die Verschlüsselung von Dokumenten und E-Mails und für eine Authentifizierung.
Der Arbeitgeber überträgt die für ELENA erfassten Daten seines Arbeitnehmers in elektronischer Form an die ZSS und erhält darüber eine Protokollmeldung. Die in den Datensätzen enthaltene Rentenversicherungsnummer wird von der ZSS an die RFV übertragen. Diese verknüpft sie mit der ZID des jeweiligen Arbeitnehmers und sendet diese Nummer zurück an die ZSS. Dort werden die ELENA-Datensätze dann unter der ZID abgespeichert. Somit besitzt nur die RFV die Möglichkeit, Personen mit ihren Datensätzen zu verknüpfen, hat aber selbst keinen Zugriff auf die Daten.
Auch die Agenturen, denen der Zugriff auf die Daten des ELENA-Verfahrens genehmigt wird, müssen bei einem Trust Center eine Signaturkarte für ihre Mitarbeiter beantragen.
Werden nun die Datensätze von einer Agentur benötigt, fordert diese sie bei der ZSS an. Der Sachbearbeiter und der antragstellende Arbeitnehmer müssen sich daraufhin durch Eingabe einer PIN bei der RFV identifizieren. Diese ermöglicht dann die Freigabe und Übermittlung der Daten durch die ZSS an die Agentur.
Eine Verschlüsselung der Daten findet ab deren Eintreffen bei der ZSS statt. Die Behörde erzeugt für jeden Datensatz einen Sitzungsschlüssel (session key) und gibt diesen an den Bundesdatenschutzbeauftragten weiter. Dieser verschlüsselt den Sitzungsschlüssel mit einem Hauptschlüssel (master key) der zurück an die ZSS übertragen wird. Die ZSS speichert dann neben dem verschlüsselten Datensatz auch den zugehörigen verschlüsselten Hauptschlüssel. Ein direkter Zugriff auf die Daten ist somit nur nach einer Genehmigung durch den Bundesdatenschutzbeauftragten möglich.
Dieses System erscheint zunächst sicher, aber die jüngste Vergangenheit hat am Beispiel unzähliger Datenskandale immer wieder gezeigt, dass es keine unüberwindbaren Schutzsysteme gibt. Es ist nur eine Frage der Zeit oder der technischen Möglichkeiten, bis die Schwachstellen des ELENA-Verfahrens entdeckt werden und die Datensätze in falsche Hände gelangen.
ELENAs Auswirkungen
Für die Arbeitnehmer ändert sich durch die Einführung von ELENA zunächst nichts. Sie müssen sich allerdings damit abfinden, dass die im Rahmen des Verfahrens über sie erfassten Daten zukünftig zentral gespeichert werden. Eine Möglichkeit des Widerrufs besteht nicht. Die Teilnehmer haben keinen Rechtsanspruch, um die Übermittlung der vorgesehenen Entgeltdaten an die Zentrale Speicherstelle zu verhindern. Dabei ist irrelevant, ob sie jemals Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Es handelt sich somit um eine weitere Form der Vorratsdatenspeicherung, die dem im Bundesdatenschutzgesetz festgelegten Grundsatz der Datensparsamkeit widerspricht.
Möchte ein Bürger ab 2012 Sozialleistungen in Anspruch nehmen, muss er nach Angaben der Herstellerfirmen mit Kosten von zehn Euro für die Signaturkarte mit einem elektronischen Zertifikat rechnen. Diese hat eine Gültigkeit von drei Jahren. Sozialhilfeempfänger sollen die Kosten erstattet bekommen. Wer allerdings zuhause die Möglichkeiten der elektronischen Signatur nutzen will, den erwarten Kosten von bis zu 50 Euro für die Karte, das Lesegerät und die Software. All diese Schätzungen beruhen allerdings auf der Annahme, dass die Stückpreise aufgrund der Verbreitung sinken werden.
Die Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Beschäftigten darauf hinzuweisen, dass ab Januar 2010 Daten aufgrund des ELENA-Verfahrens Daten an die Zentrale Speicherstelle (ZSS) übermittelt werden. Dafür ist ein allgemeiner Hinweis ausreichend, die Form bleibt dem Arbeitgeber überlassen. Die gesetzliche Mindestanforderung wird durch folgenden Text erfüllt: »Wir sind seit dem 1. Januar 2010 gesetzlich verpflichtet, monatlich die in ihrer Entgeltabrechnung enthaltenen Daten im Rahmen des Verfahrens ELENA an die zentrale Speicherstelle zu übermitteln.«
Außerdem wird empfohlen die Arbeitnehmer auf der ersten Gehaltsabrechnung 2010 über de Grundzüge von ELENA aufzuklären: »Das Gesetz über den Elektronischen Entgeltnachweis (kurz: ELENA) regelt, wie Bürger ihre Beschäftigungszeiten und Arbeitsentgelte nachweisen, wenn sie Sozialleistungen beantragen. Alle Arbeitgeber sind ab dem 1. Januar 2010 verpflichtet, die Entgeltdaten ihrer Beschäftigten an die Zentrale Speicherstelle zu übermitteln. Zum 1. Januar 2012 startet dann der Datenabruf des ELENA-Verfahrens.«
Für die Arbeitgeber bedeutet die Einführung des ELENA-Verfahrens außerdem eine Vielzahl zusätzlicher Kosten. Die zuständigen Mitarbeiter müssen sich in das System einarbeiten und der Umfang der zu erfassenden Daten steigt erheblich. Ab 2012 ist vorgesehen, die Daten der Arbeitnehmer von den dann vorhandenen Chipkarten einzulesen. Dadurch entstehen für alle Unternehmen Mehrkosten durch den nötigen Erwerb und die Wartung der Kartenlesegeräte und der Software. Gerade Kleinunternehmen werden durch ELENA somit unverhältnismäßig benachteiligt. Sie stellen allerdings die Hauptabnehmer für die Lesegeräte dar.
Der Bund selbst stellt für den Aufbau und den Betrieb des Systems von 2009 bis 2014 jährlich 11 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei wird stolz behauptet, dass die Unternehmen ab dem Jahr 2012 um jährlich 85,6 Millionen Euro entlastet werden. Das hört sich zunächst nach einem hohen Betrag an. Angesichts der Tatsache, dass es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2006 in Deutschland rund 3,5 Millionen Unternehmen gab, macht das im Durchschnitt aber nur 25 Euro pro Unternehmen und Jahr an Entlastung aus. Wenn man nun allein den Zeitaufwand bedenkt, den die Einführung und das Arbeiten mit ELENA für die Arbeitgeber bedeuten, wird eine Entlastung, sofern sie überhaupt kommt, vermutlich erst in mehreren Jahrzehnten erkennbar sein. Auch hier werden wieder die zahlreichen Kleinunternehmen am stärksten benachteiligt.
ELENAs Nebenwirkungen
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes wurde bestmöglich versucht, es totzuschweigen. Offenbar war sich die Bundesregierung der Kritikpunkte des Verfahrens bewusst und wollte eine öffentliche Diskussion vermeiden.
ELENA soll neben der angeblichen Entlastung aller Beteiligten auch dazu dienen, der bisher wenig akzeptierten elektronischen Signatur zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn die Signaturkarten und die Lesegeräte erst einmal verbreitet sind, können sie auch zunehmend für den Abschluss rechtsverbindlicher Verträge im Internet genutzt werden. Die Bundesregierung hofft, dadurch eine Führungsrolle bei den elektronischen Sicherheitszertifikaten übernehmen zu können und somit internationale Standards zu etablieren.
In den letzten Jahren wurden in Deutschland immer mehr Möglichkeiten zur Datensammlung geschaffen. Dies geschah unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung und des Bürokratieabbaus zur Erhöhung der Effizienz. Der letzte fehlende Schritt wäre es, alle gespeicherten Informationen untereinander zu vernetzen. Dann wäre der nahezu komplett gläserne Bürger Wirklichkeit, die Menschen wären nur noch Objekte des Staates. Niemand könnte mehr kontrollieren, wer was über wen weiß.
Dafür wäre aber vor allem noch ein einheitliches Ordnungsmerkmal aller Bürger notwendig. Aber auch ein solches ist schon vorhanden, denn die Finanzämter haben die Einführung der eindeutigen Steuer-Identifikationsnummer abgeschlossen, die dieses Kriterium erfüllt. Das Bundesinnenministerium unter Wolfgang Schäuble hatte bereits den Vorschlag angebracht, diese Nummer in ein Bundesmelderegister aufzunehmen, welches zur Vernetzung der kommunalen Meldeämter dienen sollte. Bisher wurde diese Idee glücklicherweise noch nicht umgesetzt und die Steuer-Identifikationsnummer darf vorerst nur von den Finanzämtern genutzt werden.
Es bleibt die Frage, wie lange eine anderweitige Nutzung verhindert werden kann. Welche neue Datenvernetzung oder welche neue Datensammelstelle wird den Bürgern wohl als nächstes unter fadenscheinigen Vorwänden untergeschoben? ELENA ist diesbezüglich schon ein sehr schwerer Brocken. Es sollte daher alles Menschenmögliche unternommen werden, um dieses Gesetz zu Fall zu bringen.
»Es widerspricht der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen (…) Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren (…) und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist.« (Bundesverfassungsgericht 1969)
Quellen:
[1] http://www.das-elena-verfahren.de
[2] http://wiki.piratenpartei.de/ELENA-Verfahren
Autor dieses Artikels: Daniel Flachshaar
Verantwortlich für den Inhalt dieses Artikels: Piratenpartei Deutschland