Heute in den Tagesthemen:
Justiz hört immer öfter mit
Die deutsche Justiz wendet immer häufiger das umstrittene Mittel der Telefonüberwachung an. Das geht aus einer Statistik des Bundesamtes für Justiz hervor. Demnach gab es im vergangenen Jahr 5348 Verfahren, in denen Telefongespräche und Computerkommunikation abgehört oder überwacht wurden. Das ist ein Anstieg um elf Prozent im Vergleich zu 2007, als es 4806 Verfahren waren. Besonders stark fiel der Statistik zufolge der Anstieg mit 30 Prozent in Bayern aus. Im Jahr 2008 wurden 1023 Verfahren registriert, 2007 waren es noch 782.
Überwachungsaktionen bei schweren Straftaten
Nichts bleibt geheim: Auch Journalisten sind von BKA-Abhörmaßnahmen betroffen.
Die veröffentlichten Zahlen beziehen sich allerdings nur auf die Abhörmaßnahmen, die im Rahmen laufender Ermittlungs- und Strafverfahren wegen eines konkreten Verdachts auf eine Straftat eingeleitet werden. Erlaubt sind solche Überwachungsaktionen nur bei schweren Straftaten, wie zum Beispiel Mord, Kindesmissbrauch oder organisiertem Drogenhandel. Außerdem müssen sie von einem Richter genehmigt werden. Abhöraktionen und Lauschangriffe der Polizei zu präventiven Zwecken sind in der Statistik nicht enthalten.
Ebenso wenig enthalten seien die Eingriffe der Geheimdienste in das Fernmeldegeheimnis. Letztere werden auch nicht von der Justiz kontrolliert, sondern von der sogenannten G-10-Kommission des Parlaments (benannt nach Artikel 10 Grundgesetz, der das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis schützt).
“Zunahme an Ermittlungsverfahren insgesamt”
Der Freiburger Oberstaatsanwalt Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, erklärte den Zuwachs der einzelnen Überwachungsmaßnahmen gegenüber dem SWR mit der Zunahme an Ermittlungsverfahren insgesamt, deren Zahl bei über sechs Millionen im Jahr 2008 lag. Zudem sei es weit verbreitete Praxis vieler Tatverdächtiger – vor allem im Drogenmilieu – mehrere Handys zu benutzen und diese außerdem noch mit mehreren SIM-Karten zu bestücken. Die Anordnung einer Überwachungsmaßnahme sei engsten Regeln unterworfen und nur bei so genannten Katalogstraftaten möglich, also vor allem bei Drogendelikten, schweren Betrugsfällen, Mord und Terrorismus. Steige in diesen Bereichen die Zahl der Ermittlungsverfahren, so steige die Zahl der Überwachungsmaßnahmen auch, aber deutlich stärker, weil die Tatverdächtigen immer mehr Kommunikationsmittel nutzten, so Oberstaatsanwalt Frank.
“Regelinstrument der Strafverfolgung”
Die Grünen fühlen sich hingegen durch die Zahlen in ihrer Kritik an der Telefonüberwachung bestätigt. Vorstandsmitglied Malte Spitz sagte der “Süddeutschen Zeitung”: “Die Überwachung wird immer stärker zum Einstiegs- und Regelinstrument der Strafverfolgung, obwohl sie eigentlich nur bei erheblichen Straftaten im begrenzten Umfang genutzt werden sollte. Die Verhältnismäßigkeit ihrer Anwendung steht daher immer stärker in Frage.” Die Telefonüberwachung müsse dringend reformiert werden, forderte Spitz. Nötig seien “klare Kriterien, wann und wie begrenzt in Einzelfällen überwacht werden darf”.
Datenschutzbeauftragter Schaar
In seinem jüngsten Jahresbericht hatte auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, “erhebliche datenschutzrechtliche Defizite” bei der geltenden gesetzlichen Regelung der Telefonüberwachung beklagt. Der erneute Anstieg der Überwachungsfälle sei bedauerlich, hieß es laut “SZ” aus seiner Behörde. Der Katalog der Straftaten, die Telefonüberwachung rechtfertigen, müsse endlich reduziert werden. Zuletzt sei aber das Gegenteil geschehen.